Stimmen zählen – auch im Wohnungseigentum eine heikle Sache

Ergebnis einer Abstimmung

Wie unlängst auch die österreichische Politik zeigte – Stimmen richtig auszählen ist manchmal heikel. Im Wohnungseigentum wurde 2022 die Mehrheitsbildung erleichtert. Worauf ist aufzupassen?

Bisher herrschte im „Wohnungseigentumsgesetz 2002“ (kurz: WEG) das einfache Mehrheitsprinzip: Mehr als 50 % der nach Miteigentumsanteilen berechneten Stimmen von WohnungseigentümerInnen waren für einen Mehrheitsbeschluss erforderlich.

In „schlafenden“ Eigentümergemeinschaften, bei denen aus den verschiedensten Gründen keine Mehrheit zustande kam, lag daher ein besonderes Gewicht auf der Hausverwaltung, die je nach Engagement mehr oder weniger Verwaltungsmaßnahmen im Haus setzte.

Nicht selten zum Unwillen engagierter MiteigentümerInnen, die im Haus wohnten und andere Vorstellungen von Verwaltungstätigkeit als die Hausverwaltung haben.

Mangels ausreichender Beteiligung an den Abstimmungen im Haus scheitert(e) dies häufig.

Um WohnungseigentümerInnen zu „aktivieren“, ihre demokratischen Stimmrechte mehr als bisher auszuüben, erleichtert der Gesetzgeber ab dem 1.7.2022 die Bildung von Mehrheitsbeschlüssen:

Neu ab 1.7.2022: Auch eine Minderheit kann wirksame Beschlüsse fassen

Nicht nur für Hausverwalter, aber auch gerade für WohnungseigentümerInnen, die selbst eine Beschlussfassung organisieren wollen, ist die Kenntnis der neuen Regeln von großer Bedeutung.

Eine Falschauszählung kann zu überflüssigen Beschlussanfechtungen, und außer zu großem Ärger auch zur Haftung für vermeidbare Verfahrenskosten bei Beschlussanfechtungen führen.

Immer noch zu beachten: ordnungsgemäße Verständigung, dass eine Beschlussfassung bevorsteht, Kontrolle wer im Grundbuch als stimmberechtigt eingetragen ist etc..

Seit knapp einem Jahr reicht es beim Ermitteln der Mehrheit aus, wenn:

Zwei Drittel der abgegebenen (!) Stimmen, berechnet nach dem Verhältnis der Nutzwertanteile einen Beschluss fassen. Diese zwei Drittel müssen aber ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreichen.

Beispiel:

50 % der Eigentümer gaben ihre Stimme ab. Früher kam daher kein Beschluss zustande, da ja keine absolute Mehrheit vorliegen kann.

Wenn nunmehr die „Ja“-Stimmen zumindest 33,33 % der Miteigentumsanteile erreichen, ist die Mehrheit gegeben.

Umso wichtiger ist es in Zukunft, dass die Wohnungseigentümer selbst die Auswertung der Stimmen (durch die Verwaltung oder die Initiatoren eines Beschlusses) kontrollieren: Im WEG sind weder Wahlkommissionen noch Stimmenzähler vorgesehen, auf die man sich verlassen kann / können sollte.

Der Verwalter hat Auskunft über das Stimmverhalten der anderen Wohnungseigentümer zu erteilen, nach Rechtsmeinung anerkannter Universitätslehrer aus dem Wohnungseigentumsrecht nicht nur bei schriftlichen Abstimmungen (§ 20 Abs 7 WEG),  sondern auch bei Abstimmungen in jeglicher anderen Form.

Die Durchsetzung der Auskunftserteilung ist gerichtlich im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren durchsetzbar.



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Mag. Ronald Geppl
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